Über mich


Man muss wohl etwas verrückt sein für so ein Abenteuer! Ein Haus/zu/um/bau ist eine Entscheidung fürs Leben - bis dass der umfallende Ziegel uns scheidet! Oder bis man pleite ist - was auch immer zuerst eintritt! Und dennoch: es gibt sie noch, die Pioniere, die sich in dieses unbekannte Terrain vorschlagen. Ich bin eine davon! Mögen die Ziegel mit dir sein!

Die Erinnerung Ist Das Einzige Paradies, Aus Dem Wir Nicht Vertrieben Werden Können.

Jean Paul (1763-1825), eigentlich Johann Paul Friedrich Richter, deutscher Dichter, Publizist und Pädagoge

Seitdem ich denken kann, hat unser Haus so ausgesehen. Außen zumindest. Irgendwie nie ganz fertig, irgendwie eine sonderbare Architektur, anders als die anderen Häuser im Dorf. In den Anfängen gab es ganz traditionell viel dunkles Holz. Die Fenster waren aus Holz, Untersichten und Verblendungen dunkel lackiert. Irgendwann vor 25 Jahren wurden dann im Sommer die Fenster getauscht. Ganz neumodisch auf Kunststofffenster in weiß. Wieso ich mich daran noch so erinnern kann? Weil ich in der ersten Schulwoche, 2. Klasse Gymnasium dann den Aufsatz in Deutsch schreiben musste: was habe ich in den Ferien gemacht? Und bei mir war es der Fenstereinbau. War das der Grundstein meiner DIY Karriere?

Die kleine Tanja in Lebensgefahr - wo sind da die verpflichtenden Geländer? Gab es da keine Bauordnung? Keine Normen?Was ist das für ein Unkraut hinter mir?!

Zeitgleich wurde auch die Heizung getauscht, endlich weg vom mühsamen Holz nachlegen hin zu einer damals modernen Öl-Zentralheizung. Damals war uns noch nicht bewusst, dass eines Tages die Schüler auf die Straßen gehen würden, um genau dagegen zu protestieren. Ich kann mich gut erinnern, dass davor die Bude oft sehr kalt war, wenn wir wieder mal einen Ausflug nach Metro oder Segro unternommen hatten (ja, ich dachte das wären Städte, dass es sich dabei lediglich um Shops handelt, habe ich erst später gemerkt. In der Schule waren aber die anderen auch nicht besser, denn meine Geschichten zu den Ausflügen nach Metro hörten sich wohl immer nach Abenteuer eines Globetrotters an). Im Gegensatz zum Auto damals, ein alter weißer Mitsubishi. Der war vor allem im Sommer ein Alptraum. Klimaanlagen und Sitzgurte waren damals noch kein Standard und vor allem kein Muss. Vogelfrei aber eher wie das Hendl am Grillhendlstand wurden da Kinder von A nach B kutschiert. Und wenn man wie ich so abgelegen wohnt, muss man wirklich überall mit dem Auto hin. Damals habe ich mir nichts sehnlicher gewünscht, als auch nahe an der Schule zu wohnen, damit ich mit den anderen Cool Kids zu Fuß zur Schule gehen kann. Eines Tages habe ich dann auch beschlossen, zu Fuß nach Hause zu gehen und nachdem noch niemand Handys erfunden hatte, tat ich das, ohne jemandem Bescheid zu geben. Mit einer Freundin im Schlepptau machte ich mich auf den zwei Kilometer langen Weg (bedenken Sie, ich hatte noch nie längere Beine als jetzt). Geschafft habe ich es natürlich nicht, weswegen ich mich am halben Weg kurzerhand bei meinem Opa, der auch im selben Dorf, nur ein paar Häuser entfernt lebte, einquartiert hatte. Der versorgte uns erstmal mit Saft und Naps (er hatte immer Naps zuhause), uns ging’s gut. Es wäre zu schön gewesen, wäre meine Mutter nicht vor Sorge fast umgekommen und uns nach stundenlanger Suche endlich gefunden. Die letzten Meter fuhr ich mit dem Mitsubishi heim. Zu Fuß nach Hause durfte ich dann nie mehr.

Leben am Limit - Radfahren am Abgrund

Was ich auch nie durfte, war auf die Balkone gehen. Die hatten Zeit ihres Lebens nie vollständige Geländer. Hat irgendwie nie jemand gesehen, hat niemanden interessiert, ich weiß es nicht. Ich war ja nie am Balkon. Wenn ich draußen sein wollte, ging ich in den Garten. Immerhin passten sowohl mein Dressurviereck als auch mein Springplatz besser auf die Wiese.

Besagte Rosen, wer zieht einem Kind einen weißen Anzug an bitte?!

Dafür aber manchmal im Dachboden. Und da hatte ich immer Angst. Denn der Boden gab nach und in meiner Welt sah ich mich mehr als einmal durch die Decke brechen. Was ich damals nicht wusste, war, dass einfach nur der Estrich, der viel zu dünn und ständig schwankenden Temperaturen unterm Dach ausgesetzt, brüchig geworden war. Ich musste als Kind immer an „Geschenkt ist noch zu teuer“ mit Tom Hanks denken. Die Szene, wo er durch die Decke bricht. Den besagten Estrich, 40m2 wohlgemerkt, habe ich ja nun entfernt und darunter befindet sich eine solide Decke. Niemand wird ins darunter liegende Schlafzimmer brechen. Hoffe ich jedenfalls.

Besagte Berberitzen - der Tod lauerte überall, wie bin ich nur so alt geworden?!

Die Terrasse, die mir nun als alternativer Zugang zum Wohnzimmer dient (wenn ich keine Lust auf tödliche Erdlöcher oder die Leiter des Todes habe), war auch immer schon da. Und mit ihr der davor liegende Hügel. Was für Eltern lassen ihr Kind bitte auf so einer Terrasse Fahrrad fahren? Wohl die gleichen, die ihre Kinder im heißen Mitsubishi nicht anschnallen.

Geländer oder andere Absturzsicherungen gab es auch hier nicht – irgendwie scheint das Sicherheitsbedürfnis meiner Familie nur sehr gering ausgeprägt zu sein. Lassen Sie mich nicht auf das fehlende Stiegengeländer im Haus vergessen. Manchmal aber wurden Sträucher oder Blumen gepflanzt, auch war der Hang früher lange ein Steingarten. Man stelle sich also folgendes vor: eine kleine Terrasse, umgeben von Rosen und Berberitzen und Bodendeckern am Hang und eine kleine Tanja, die ihren damaligen fahrbaren Untersatz noch nicht vollständig unter Kontrolle hat (heute bin ich eine ausgezeichnete Fahrerin, nur falls es Sie interessiert). Vermutlich bin ich mehr als einmal von Dornen zerkratzt vom Boden aufgestanden, an ein Mal kann ich mich zumindest erinnern. Aber hat auch keinen dazu bewegt, die potentiell tödlichen Pflanzen zu eliminieren oder mich in die Einfahrt Fahrrad fahren zu schicken. Wobei, die war lange nicht befestigt und ist nach wie vor steil abfallend zur Straße – da wäre ich wohl nicht so oft runtergefahren und mit ein paar Kratzern davon gekommen. Sie haben richtig geraten: ein Tor, dass mich vor der Straße geschützt hätte gab es noch nie. Meine Familie. Leben am Limit. Sicherheit ist uns wichtig.

Der Balkon ohne Geländer, das Kind alleine in der Nähe der Straße und der klägliche Versuch der südafrikanischen Olympiaanwärterin im Ziegelweitwurf den österreichischen Nationalsport zu verstehen. Wer ist die andere Frau? Man weiß es nicht!

Noch kurz vor dem Einbau der State-of-the-Art Fenster und Heizung haben wir eine SAT-Anlage bekommen. Ich weiß nicht mehr, wie lange der Einbau gedauert hat, aber ich weiß, dass Exklusiv Das Magazin eine unserer ersten Sendungen war. Wie fortschrittlich man am Land doch ist! Und da ja keiner Zeit hatte, die Programmvielfalt 24 Stunden am Tag zu nutzen, wurde kurzerhand ein Videorekorder angeschafft. Damals gab es natürlich noch keine einheitlichen Richtlinien der EU zum Thema Mehrsprachigkeit von Bedienungsanleitungen. Unser Videorekorder kam mit einer englischen. Praktischerweise ist meine Mutter gebürtige Südafrikanerin – Englisch kann sie also. Nur mit dem Deutsch haperte es damals noch mehr als heute. Sie müssen mir jetzt einfach glauben, dass sie den „Memory Button“ mit Gedächtnisknopf übersetzt hat – das Beweisstück A, das vollgekritzelte, übersetzte Manual liegt nämlich im Container. Das musste ich aufbewahren. Ein Foto wird nachgereicht, sobald ich wieder Ordnung in meinem Leben habe.

Parties, Parties, Parties... zur Inneneinrichtung sage ich in einem späteren Post nochmal was

Das gute an der Hanglage ist, dass man nebenan seinen persönlichen Schi- und Schlittenhang hat. Das war natürlich auch gleich viel sicherer, denn auch am Ende dieses Hanges befand und befindet sich nach wie vor die Straße. Hat ja keine weggeräumt in den letzten 30 Jahren. Das private Schi-Resort ist allerdings mittlerweile mit zwei Einfamilienhäusern verbaut, Schnee wie damals gibt es ja sowieso nicht mehr. Vermutlich was dran an der Klimaerwärmung, ich werde eine Initiative gründen, dass wir freitags nicht mehr arbeiten, sondern demonstrieren. So kann es ja wohl nicht weitergehen.

Wir schreiben Woche 5 am Bau, gestern um 16:03 hat der letzte Ziegel aus der letzten Wand den vermeintlich dem Durchbruch zum Schlafzimmer geweihten Dachboden verlassen. Die Abbrucharbeiten sind damit zum Großteil beendet, ein Zurück gibt es schon lange nicht mehr. Was bleibt sind die Erinnerungen, an eine großartige Kindheit, an schöne Momente in der Familie, an Lachen mit dem Besuch, den ich so gern vermieden hätte, der aber komischerweise immer da war, an fliegende Fäuste zwischen den Geschwistern, die über die Jahre immer mehr wurden (ich war ganze 1,5 Jahre allein und daran kann ich mich kaum erinnern). Die hunderten Parties, Geburtstagskuchen und Silvesterbuffets, die zig gängigen Weihnachtsmenüs, die endlosen „kennst du den und wie heißt die Schwester des Cousins seines Arbeitskollegen (ich kenne nach wie vor niemanden von denen, von denen da immer erzählt wird, scheinen aber alle ein sehr spannendes Leben zu haben. Am Land ist das wohl so). An Tränen, Wut und Zorn, zugeschlagene Türen und ständig besetzte Badezimmer. An viele Spinnen und sonstiges Getier – jetzt weiß ich ja, wo die alle die Jahre über gelebt haben.

Es ist nun Zeit, neue Erinnerungen abzuspeichern. Erinnerungen an die erste Baggerschaufel Lehmboden, die Schalung der Treppe, das Herausreißen der Wanne, den ersten herausgeschlagenen Ziegel. Und an den letzten. Ich bin schon gespannt, wieviel uneingeladenen Besuch, wieviele Lachkrämpfe, Tränen, Kinder und weitere Renovierungsarbeiten dieses Haus noch sehen wird. Aber wenn wir ganz viel Glück haben, wird es erstmal in seiner Geschichte fertig. Und das auch noch unter Einhaltung aller Sicherheitsvorschriften. Ich weiß ja jetzt, wieviele Eisengitter und –stäbe sich im Stiegenhaus befinden.
Erinnerungen an die Strapazen beim Abreissen der Wände
Eine Aussicht, die ich bald täglich genießen werde

Seltenes Bild der südafrikanischen Olympiaanwärterin im Ziegelweitwurf beim Training - die Ziegel gehen ihr bereits ab. Falls Sie daran interessiert sind, ihr eine weitere Trainingsmöglichkeit zur Verfügung zu stellen, melden Sie sich bitte per mail.

Da flogen nicht nur die Funken, es wurde gestritten und gelacht und manchmal geweint
Und dann war es soweit, die letzte Mauer musste daran glauben
Und so sieht das Ergebnis nach Woche 4 aus
Die Erinnerung Ist Das Einzige Paradies, Aus Dem Wir Nicht Vertrieben Werden Können. Die Erinnerung Ist Das Einzige Paradies, Aus Dem Wir Nicht Vertrieben Werden Können. Reviewed by Tanja on 20:29 Rating: 5

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