"Ich Schaffe Es Nicht", Steht Keinem Zu Gesicht

Erhard Horst Bellermann (*1937), deutscher Bauingenieur, Dichter und Aphoristiker

Beginn Woche 2 für mich, Woche 3 seit Baubeginn. Und ich bin, mit Verlaub, halb tot. Ich mein, ich will ja echt nicht jammern. Aber wie soll man denn das ertragen?!

Letztes Erdhaufenfoto, der Bagger rückt morgen an!

Ich bin ja ein Perfektionist, wenn es um Styling geht. Ich mache mich gerne hübsch, stimme meine Outfits ab, habe einen Plan für jeden Tag der Woche. Nicht mal den Müll bring ich in Schlabberoutfits raus. Was sind denn Schlabberoutfits überhaupt und wie sehr muss man sich aufgegeben haben, um diese zu tragen?! Ich jedenfalls normalerweise nicht. Und ich liebe Röcke und Kleider, Hosen maximal Reithosen, Jeans sind Mangelware.

Jetzt trage ich schon seit einer Woche ausschließlich Hosen. Und nicht mal richtige Hosen. Jogginghosen. Ehrlich. Die einzige Steigerung wären Leggings - und ich bin kurz davor, auch die auszupacken.

Und mittlerweile sind es zwei Löcher ins Freie!

Es hilft einfach nichts, ich zerschlage Ziegel, ich steig auf Erdhaufen rum und hantiere mit schwerem Gerät. Im Rock wäre das möglich, ABER dann hätte ich noch mehr blaue Flecken. Ich hab ja vor, Mittwoch mal arbeiten zu gehen. Wie ich meine Beine da ins Büro tragen soll, weiß ich nicht. Und die blauen Flecken sind noch nicht mal das schlimmste. Meine Nägel sehen aus, als hätte jemand einen Anschlag drauf verübt. Zwischendurch hat sich meine Haut abgelöst, dass ich de facto keine Fingerabdrücke mehr hatte. Handcremen sind nett, bringen aber gelinde gesagt, gar nichts mehr. Durch diesen Ziegelstaub sind meine Haare nicht mal mehr trocken, wie sonst schon immer, die stauben sogar unter der Dusche. Ich glaube, Wasser dringt da nicht mehr durch. Ganz zu schweigen davon, dass ich dringend Haare färben müsste.

Habe ich schon erwähnt, wie meine Füße aussehen? Den ganzen Tag in Plastikschuhen plus der ein oder andere Nagel, der sich durch die Sohle drängt - da hilft keine Pediküre, ich müsste zur Klauenpflege!

Die Familie sitzt nun gemütlich im Vorzimmer am Gartentisch

Es ist ja nicht so, dass ich mich nicht zwischendurch waschen würde. Das schon. Das Wasser sieht (und ich bin mir sicher, auf dieses Detail haben Sie jetzt nur gewartet) eher nach Naturbadeteich aus. Aber man wird ja abgehärtet nach einer Woche auf der Baustelle. Gehe ich nach dem Arbeiten auf dem Bau noch zum Pferd, dann reicht es, sich umzuziehen, ich entschuldige mich hiermit öffentlich bei meinem Pferd, dass er mich dann so sehen und riechen muss. Aber wozu davor noch die Ziegelreste aus den Augen kratzen?! Da kommen dann noch ein paar Pferdehaare hinzu und der Naturbadeteich um eine Attraktion reicher.

Toll - jetzt gehe ich schon in Joggingoutfit und ohne Schminke ins Fast Food Restaurant

Aber so richtig Spass macht es beim Pferd eh auch gerade nicht. Meine Bauchmuskeln schmerzen vom Schaufeln, da ist nichts mit Körperspannung. Die Zügel in einer vernünftigen Faust halten ist quasi auch nicht mehr möglich, da ich nach 12 Stunden Hammer und Schiebetruhe keine Faust mehr machen kann. Ein Wunder, dass ich noch tippen kann. Das Handy zu halten fällt abends echt schwer. Und nachts schwellen die an! Ein Traum.

Die linke Hand funktioniert ja noch so halbwegs

Rechts geht gar nichts mehr

Spricht man eigentlich schon von Nervenschäden, wenn es ab und an immer wieder in der linken Schulter kribbelt? Sollte sich unter den Lesern ein Arzt, Osteopath oder Chiropraktiker befinden, so melden Sie sich bitte für eine Ferndiagnose. Ob ich von der ganzen Plackerei wohl bleibende Schäden davontragen werde?

Einer der nächsten Blogposts wird zum Thema: Final Destination Baustellenedition sein!

Aber was noch schlimmer ist, ist was so eine Baustelle psychisch mit einem macht. Der Grat zwischen "Das Loch in der Wand bleibt ich hau alles hin und ich ziehe in eine Wohnung" und "Awwww, dort drüben stehen dann die Massagesessel" ist ein sehr schmaler.

Schaufeln, schaufeln, schaufeln...

Ich fordere alle Germany's und Austria's Next Top Models heraus, diese Runway Challenge mit mir aufzunehmen!

Wenn selbst Ziegel schon als bequem erscheinen, um kurz Pause zu machen

Ach ja, vor lauter Jammern hab ich doch glatt vergessen, noch etwas zum Baufortschritt zu sagen: das erste Gewerk ist quasi am Abziehen, es liegt nun an uns, die Abbrucharbeiten voranzutreiben und auf den Holzriegelbau zu warten. Am Samstag hätte ich am liebsten geschrien, heute war ich schon etwas zuversichtlicher. Ein wenig Angst hab ich noch vor dem Modell Vogelhaus, aber es ist noch ein wenig Zeit. Und der Wettergott ist mir wahrlich wohl gesonnen, heute gab es sogar einen Rekord mit 26 Grad. Ein paar Tage noch, bitte, damit mir die Aufstockung trocken über die Bühne geht. Indes träume ich schon vom Innenausbau und frage mich, ob ich Abreissen oder Spachteln mehr hasse. Wir werden es in wenigen Wochen erfahren.