Petra Golke (*1959), Hartz-IV-Bezieherin
Es ist doch wie Weihnachten. Oder wie Geburtstag. Oder besser noch, heiraten. Da bereitet man sich doch auch wochenlang darauf vor und ist voller Erwartungen und dann kommt es ganz schnell und wird doch ein wenig unerwartet. Genauso stellt sich mir diese erste Woche am Bau vor.
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Ich das erste Mal im Stiegenhaus - quasi bezugsfertig! |
Jetzt hatte ich doch bitte mehr als genug Zeit, Listen zu schreiben und Planungen immer und immer wieder durchzugehen. Fakt ist: wir sind hinten nach. Wir.
Nicht die Baufirmen. Die sind ja bekanntlich sogar eine Woche zu früh da gewesen. Aber selbst das hätten wir schaffen können.
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Das war ja zirka das letzte Bild am Montag, als ich abreisen musste |
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Abends war da dann ein Loch |
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Ein großes Loch |
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Kurz nach diesem Bild wurde der Baum dann zurückgeschnitten. Und mein Vater fiel dabei von der Leiter. Ich dachte, es wäre ein Witz gewesen. |
Letzte Woche ist ja ordentlich was weitergegangen. Während ich in Stuttgart die Welt rettete, wurde zuhause gebaggert und geschalt. Dank der neu entdeckten Fähigkeit meiner Mutter, Fotos zu machen, wurde ich auch mit stündlichen Updates versorgt. Es entstand ein kleines Bauwerk während die Betonmischer in der Einfahrt Tetris spielten und Dienstag endlich das lang ersehnte Baustellenklo geliefert wurde. Das Klo, das meiner Mutter so gut gefällt, dass sie es im Sonnenuntergang fotografiert hat. Baustellenromantik.
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Schotter, viel Schotter! |
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Der Beweis, dass alle auf der Baustelle arbeiten |
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Manche machen nur Fotos |
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Wenn nicht mal das Hochformat mehr reicht |
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Das Stiegenhaus auf gutem Fundament gebaut |
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Gut, dass da keine Katze drüber ist |
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Und endlich ein Klo! |
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Baustellenromantik - meine Mutter findet es toll! |
Ansonsten ist von Romantik allerdings nicht viel zu sehen. Man sieht hauptsächlich Dreck. Der lehmige Boden hier zwingt meine Mutter dazu, jeden Tag die Einfahrt zu waschen. Was bei der Einfahrt dank der Tetris spielenden Lastwagen eigentlich hinfällig ist. Gut, dass ich überhaupt kein Budget für eine neue Einfahrt habe. Mir kann's aber auch egal sein, dass die Pflastersteine sich in alle Richtungen ausbreiten - für was habe ich denn einen SUV mit Allrad?!
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Da bleibt kein Pflasterstein neben dem anderen |
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Ich glaube, die bauen nur so viel Eisen ein, damit ich es das nächste Mal nicht mehr selber abreissen kann! |
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Das wird mal das Stiegenhaus - auch wenn meine Mutter mich immer noch fragt, was aus dem Raum wird. |
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Baustellenordnung, wenn ich mal nicht da bin |
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Mein erstes Bild der Baustelle nach meiner Rückkehr |
Donnerstag endlich durfte ich nach Hause fahren. Und natürlich gab es wieder zahlreiche Staus, damit es ja länger dauert. Dann noch einen Kollegen finden, der mich von der Arbeit mit nach hause nimmt, damit ich endlich endlich auf die Baustelle kann. In nudefarbenen Pumps und weißem Blazer latschte ich dann um halb 6 endlich auf die Baustelle - die Jungs waren noch da und haben noch das Stiegenhaus fertig betoniert. Es ist das schönste Stiegenhaus das ich je hatte! Wohl auch das einzige und wenn ich mir meinen Finanzstatus der nächsten Jahre anschaue auch das letzte.
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Meine Mutter hat die Tür gesucht - da ist sie ja! |
Am Freitag konnte ich im Home Office zumindest immer wieder beim Fenster rausblinzeln und den Jungs (wir nennen sie mittlerweile liebevoll "unsere Jungs", wenn wir die Menüpläne der nächsten Tage durchsprechen oder den Kühlschrank mit Getränken auffüllen) beim Dämmen des Stiegenhauses zuschauen. Freitag nachmittag bin ich dann endlich als wichtigste Person am Bau einmarschiert - die Jungs haben daraufhin Feierabend gemacht.
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Flammenwerfer an! |
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Zeit, die Sache selbst in die Hand zu nehmen |
Ich natürlich nicht. Ich hab noch Schotter geschaufelt. Und mir geschworen, vor dem nächsten Hausbau endlich den Baggerführerschein zu machen. Wieviel leichter wäre denn meine Arbeit bitte?!
Während normale Menschen ihr Wochenende genießen, hatten wir hier Panik. Denn wer genau war denn eigentlich für die Abrissarbeiten abseits der Wände im oberen Stock zuständig bitte?! Ach ja, ich. Also das letzte bisschen Motivation zusammengepackt und dann mal angefangen. Was kann denn schon so unter einem knarzenden Parkett sein? Ich erinnerte mich dann an die Worte meines technischen Planers, als er das erste Mal auf diesen Boden trat:" Da ist Holz drunter." Wenn er wüsste, dass da neben einer 22mm starken Spanplatte auch noch eine Holzkonstruktion. Balken. Sicher verschraubt für die Ewigkeit. Nur die Motorsäge konnte da noch helfen. Chainsaw Massacre Arzberger Style. Natürlich haben wir auch jedes und wirklich JEDES Rohr zumindest einmal mit der Säge erwischt - nur durch viel Glück haben wir das Haus nicht unter Wasser gesetzt! Oder sind an einem Stromschlag gestorben. Beides wäre jetzt nicht so prickelnd gewesen. Wäre hätte dann für die Jungs gekocht?!
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Auf dieser Baustelle wird keiner verhungern, von der Leiter fallen oder Aufgespießt werden fällt nicht in meinen Einflussbereich |
Während ich noch beim Boden rausreißen fluchte, wusste ich gar nicht, was mich bei den Decken noch erwarten würde. ICH dachte, es wäre ja nur ein wenig Rigips auf Holzdecke. Es war aber nicht nur ein wenig Rigips auf Holzdecke. Es war viel schlimmer. Ich bin mir sicher, schlimmer als die meisten meiner Albträume!
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Da waren wir noch motiviert, die kleinen Parkettteilchen einzeln abzumachen, kurz darauf kam die Motorsäge!
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Boden raus die Erste |
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Boden raus die Zweite |
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Da waren die Decken noch drin! |
Zuerst war da wirklich der Rigips. Plan: die Schrauben suchen, Platten als ganzes abschrauben. Fertig. Das war nicht mein Plan. Wie wir es dann gemacht haben?! Mit der Motorsäge. Schrauben suchen kann man dezent vergessen, rohe Gewalt ist hingegen eine Lösung. Das war schon mühsam, die Nut-und Federdecke hätte man theoretisch nur locker abziehen müssen. Nicht aber, wenn der damalige Bauherr sie SICHERHEITSHALBER mit Rigipsschrauben bombensicher verschraubt hätte. Zusätzlich zu den abertausenden Nägeln versteht sich. Ich schwöre, hätte der Sturm jemals das Dach abgehoben, diese Schicht wäre stehengeblieben. In Schlafzimmer 1 folgte auf diese Schicht die erste Dämmung. Eh kuschelig, diese kratzende Dämmwolle. Es wird mich in den nächsten Wochen wohl immer wieder mal irgendwo jucken. Grausam! Das ist bestimmt in einem Land dieser Erde als Folter deklariert. Gott sei Dank kam danach so etwas wie Folie. Und dann noch eine Schicht Dämmwolle. Und danach nochmal Bretter. Die dann so richtig gut verschraubt und genagelt. Dahinter ist aber dann wirklich das Dach. Man kann gut zwischen den Brettern durchgucken. Und die Viecher von draußen kommen auch gut rein und machen es sich gemütlich. Hunderte Nester fielen im Laufe der letzten 48 Stunden auf meinen Kopf. Ich geh da nur mit voller Schutzausrüstung durch!
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Klar, die Schrauben werden wir schon finden, nicht?! |
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Für die Schrauben hat mir mein Vater ein Schraubeneimerchen gebastelt! Perfekt. |
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Nut- und Feder für die Ewigkeit |
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Der Trümmerhaufen danach |
Damit war das Wochenende auch schon gelaufen. Die andere Decke und das Bad kann man dann ja auch schnell mal unter der Woche machen. Die Jungs brauchen eh noch ein bisserl. Heute 7:00 also erstmal noch den Jungs geholfen (nennt man ja so wenn man sich absolut unentbehrlich auf der Baustelle macht, oder?) und dann mit jeglicher Motivation rauf. Nächste Decke abreissen. Whoot whoot! Motorsäge kennen wir ja schon, Rigips war leicht bezwungen. Jetzt ist man ja eigentlich quasi schon Profi, oder?
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Bereit für die gesundheitsgefährdende Arbeit am Bau |
Die Nut- und Federbrettchen waren diesmal SEHR dünn. Sehr. Gab mir schon zu denken, also erstmal Dämmwolle raus und tataaa - da war sie, die erste Schicht Bretter. Danach nochmal Dämmwolle (war die Folie aus dem anderen Zimmer etwa alle?!) und danach eine weitere Schicht Bretter. Baustellenabfall gut verpackt. Davon zeugte dann auch die Bitumenbahn, die auf diesen Brettern lag. Kurios. Aber noch kurioser waren die beiden Zollstöcke, die als Niveauausgleich bei den Brettern dienten. Tja, man kann den ehemaligen Arbeitern am Bau nicht mangelnde Kreativität unterstellen.
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Motorsäge---das Allheilmittel |
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Die Dämmwolle möchte bitte abgeholt werden |
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Ich kann freiliegende Dacheindeckungen sehen |
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Mein Bild des Tages: die Zollstöcke als Niveauausgleich! Hab ich mir aufbehalten |
Und das war auch schon alles, was ich bisher auf der Baustelle gearbeitet hab. Die Jungs draußen haben die Treppe geschalt, die hatten heute definitiv den besseren Job. Und dann bin ich auch schon mal auf und ab gelaufen. Es gibt noch keine Stufen, daher ein schwieriges und lebensgefährliches Unterfangen, zumal überall Eisen rausstehen. Ich sag nur Final Destination.
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Irgendwo muss der Müll ja auch hin! |
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Zählen können wir |
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Treppe oder Rutsche, your choice! |
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Einer der drei erzählt gerade einen lustigen Witz, die anderen können sich vor Lachen nicht halten |
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Die Treppe bis ins Erdgeschoß |
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Gut gestützt ist halb gewonnen |
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Late evening Baustellen-Selfie |
Mir kommt vor, als wären bereits Wochen vergangen, dabei ist es gerade mal eine. So lange habe ich drauf gewartet, dass dieses Haus in neuem Glanz erstrahlen kann und so ganz langsam wird dieser sehnliche Wunsch endlich war. Und es ist unglaublich. Erschreckend und wunderschön zugleich. Bleibt mir nur noch, mit heute möglichst wenig zu bewegen und alle möglichen Kalorien, die ich heute mühevoll abtrainiert habe, wieder rauf zu fressen. Den Muskelkater morgen könnte ich mir gut sparen. Aber ich denk, weniger wird der nicht mehr.
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