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Ausblick von einem der zukünftigen Kinderzimmer |
Ich kann es den Leuten nicht verübeln. Als Kind schon gesegnet mit großem Lerneifer und Wissensdurst, habe ich drei Studien abgeschlossen und im Laufe der Zeit vier Sprachen zu meiner Muttersprache erlernt, Holländisch verstehe ich so gut, auch dort könnt ich wohnen. Wenn wir schon davon reden, ich bin ja sogar zu einem Viertel Holländerin. Das andere Viertel stammt aus Südafrika, der Rest aus Österreich. Aus Kärnten. Aus genau dem Dorf, von dem wir hier reden.
Allein vom Aussehen her hab ich immer schon etwas anders ausgesehen als meine Kindergarten- und Schulkollegen, hätte ich genauso gut am anderen Ende der Welt leben können. In den USA zum Beispiel. Dort bin ich eine von vielen, viele Einwanderer-Nachkommen sind Mischlinge wie ich. Wir waren im Dorf eher so etwas wie eine Seltenheit.
Nach der Matura war klar, ich würde studieren gehen. Was auch sonst mit einem Notendurchschnitt von 1,0. Weit bin ich nicht gekommen, nur 50km weg von zuhause, aber immerhin meine erste eigene Wohnung (Umzug Nummer 1). Der Versuch einer WG. Der klägliche Versuch einer WG. Also raus aus dem charmanten 60er Jahre Haus mit den selbstbemalten Fliesen hin zu einer Neubauerstbezugswohnung (Umzug Nummer 2). Dort hab ich es länger ausgehalten, zumindest bis zum Praxissemester, für das ich dann ein Angebot aus Wien bekam. Ab nach Wien zur Untermiete bei einem Bekannten einer Bekannten (Umzug 2,5). Wien hat mich dann nicht gehen lassen wollen, aber es war ja auch noch was in Klagenfurt an der Uni zu tun, daher Umzug 3 in eine kleine 150 Euro wer braucht schon eine Heizung Wohnung. Plus die Wohnung in Klagenfurt. Mehrwohnungsbesitzer und Berufspendler. Für mehrere Jahre in unterschiedlichem Ausmaß. Dann endlich eine Wohnung mit Heizung in Wien (Umzug 4). Diese vermeintlich perfekte Beziehung hielt nicht lang und ich wollte dann doch irgendwann wieder eine beheizte Unterkunft mit richtigem Backofen (Umzug 5). Dann war mir Wien doch zu groß und ich beschloss, wieder nach Kärnten zu ziehen, in meine zweite Klagenfurter Wohnung (Umzug 6) bzw. teilweise in die Garage der Eltern (Umzug 7). Da in Garagen wohnen nur für Startups so richtig hip ist, bin ich in eine andere Wohnung in Klagenfurt (Umzug 8) und dort dann auch fast neun Jahre lang geblieben.
Irgendwann stellt man sich allerdings schon die Frage, wie lange man noch mit unbekannten Menschen, vor denen man am Gang davonläuft bzw. erst gar nicht bei der Tür rausgeht, solange sich andere noch draußen befinden, leben will. Man könnte sich ja eine eigene Wohnung kaufen mit eben genannten Problemen oder ein Haus mit bis dato noch unbekannten Problemen. Nur wo zieht man hin? Wenn mich die Vergangenheit eines gelehrt hat, dann dass man nicht unbedingt dort wohnen muss, wo man arbeitet. Als weitere Einschränkung hat sich ergeben, dass dank der tollen Berge (Sie sehen, ich bin ein Fan von Holland und der dort 100% ausnutzbaren Grundfläche ob der fehlenden Berge) Grund und Boden relativ teuer ist.
Was aber noch mehr wiegt als die praktischen Gedanken wieder "nach Hause" zu ziehen (der aufmerksame Leser weiß mittlerweile, dass es sich hierbei schon um Umzug 9 handelt), ist aber ein gänzlich anderer und mit rationalen Begründungen nicht erklärbar: es ist das Gefühl von zuhause, das Gefühl, trotz aller Umstände und Alternativen irgendwie dorthin zu gehören. Auch wenn das Dorf eigentlich zu klein, die Infrastruktur eigentlich nicht vorhanden, auf einer Seite die Industrie und die nicht enden wollenden Geruchsschwaden von frisch gebackenen Zuckerreinkerln, die mich so an die Kindheit erinnern. Die Leute, die mich kennen, seitdem ich ein Kind bin. Die Reitwege, auf denen ich schon als Kind unterwegs war. Selbst die Wiesen und Bäume sind zum großen Teil noch an Ort und Stelle, die bewegen sich ja auch so selten.
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Mit dem richtigen Filter hat auch eine Kleinstadt ihren Charme |
Natürlich hat sich einiges getan, der Bus fährt nun vermutlich öfters als zweimal am Tag, aber der urige Charme dieses Ortes und der Umgebung, die Traditionen, die Ankerpunkte, sie alle sind noch gleich. Und sie erinnern mich an eine nahezu unbeschwerte und fröhliche Kindheit. Und wer hat als Erwachsener schon den Luxus, diese Unbedarftheit nochmal zu empfinden? Verstehen Sie mich nicht falsch, Hausbau hat nichts mit Romantik zu tun und die Episoden, die ich allein bisher (und es war noch nicht mal ein Bagger hier) erlebt habe, müssten mich eigentlich schon abschrecken und mich in die unkomplizierte Mietwohnung zurücktreiben (mit Heizung natürlich). Aber man kann dieses Gefühl nur dort haben, wo man sein Herz hat, wo man sich zuhause fühlt. Und da verhält es sich ähnlich wie mit der Liebe: sie ist nur selten rational erklärbar.
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